35 Jahre Komponieren für die Gitarre
Der 1960 geborene Schweizer Komponist und Musikpädagoge Jürg Kindle komponiert seit seinem 25. Lebensjahr Musik für Gitarre in allen denkbaren Besetzungen. Seit April 2015 publiziert Kindle exklusiv in seinem Eigenverlag Edition Kalimba. Der Komponist zieht Bilanz über die Jahre und stellt uns in diesem Bulletin seinen Verlag vor.
«Manege frei» entstand an einem Wochenende im Jahre 1988.Es war noch ein handgeschriebenes Manuskript, den ersten Computer mit Notationssoftware hatte ich erst 1996. Als junger Musiker, der noch ohne Gitarrendiplom grad mal den ersten Versuch unternommen hat, das kärgliche Repertoire der damaligen Gitarrenliteratur zu erweitern, war ein Verlagsvertrag wie ein Lottosechser. Der Verlag war damals für die ganze Drucklegung, Layout, Illustration und den Vertrieb zuständig.
Mit der Digitalisierung änderte dies schlagartig. Plötzlich musste der Komponist selbst das fixfertige Computer - Layout abliefern und alle Korrekturen selbst übernehmen. An den Verlagsverträgen hatte sich jedoch nichts geändert. Dem Komponisten blieben nach wie vor die 9 % Umsatzbeteiligung pro verkauftes Exemplar.
Manege frei hatte sich in den frühen 90 er Jahren noch über 500 mal pro Jahr verkauft, heute sind es noch etwa 50 Exemplare, und dies gilt heute bereits als Bestseller. Mit der Digitalisierung hat auch das Kopieren Einzug erhalten. Der Lehrer kauft ein Heft, kopiert 20 Jahre daraus für seine Schüler, der Komponist erhält 9% von einem einzigen Heft dafür. Die Wertschätzung dem Urheber gegenüber ist mit zunehmender Technologie immer weiter gesunken. Ich habe 1990 mit meinem Zirkusheft mehr verdient als heute mit über 100 Ausgaben in internationalen Verlagen.
Freilich habe ich den Verlagen ein Stück weit auch meinen Bekanntheitsgrad zu verdanken. Leider aber haben die Verlage im Laufe der Zeit immer noch nicht erkannt, dass sie als Partner der Urheber fungieren müssten. Stattdessen wird der Komponist oft immer noch als Bittsteller behandelt. Lektoren und Korrektoren sind in der Gunst immer noch höher angesehen. Als Komponist gibst Du alle Rechte an deiner Musik bis 70 Jahre nach Deinem Tod dem Verlag ab. Sie gehört Dir nicht mehr. Die Verlage kriegen auch noch 50 % von den Einnahmen aus allen CD Aufnahmen mit der verlegten Musik. Es ist, als ob Du Deine Kinder zur Adoption frei gibst und jegliches Besuchs- und Sorgerecht verlierst. Gleichzeitig schwinden die Umsätze der Verlage. Wen wunderts also, wenn die Komponisten heute selbstbewusst auftreten und ihren eigenen Shop einrichten. Es ist ja keine Kunst mehr, eine Website mit Shop einzurichten, über social Media etwas Werbung zu machen und loszulegen.
In den USA werden meine Stücke in fast jedem Ensembleprogramm gespielt. Über 200 Videos mit meinen Werken, aufgeführt in den USA, kursieren auf youtube. Ein Grossteil davon macht «Kalimba» aus. Mittlerweile hat aber «Techno» Boden gut gemacht. Das «Manege frei» Image haftete mir jahrelang an bis zum Befreiungsschlag mit «Kalimba». Dieses Stück ist heute dermassen populär und zählt zu den meist gespielten Gitarrenquartetten. Ich bin sehr glücklich, dass mir mit «Pop Styles» und «Techno» 2010 dann ein neuer Wurf gelungen ist. Mit den Ausgaben im kanadischen Verlag «Les Productions d’Oz» erlangte ich viel Popularität in den USA und Kanada. Meine Beziehungen und Kontakte in die USA machen heute etwa 90% meiner musikalischen Korrespondenz aus. In Deutschland habe ich viele gute Freunde und konnte dort bisher viele Workshops halten. Auch leite ich seit zwei Jahren das Gitarrenorchester am Hersbrucker Gitarrenfestival.
Jeder denkt, dass Du mit dieser Popularität mindestens Millionär bist – weit gefehlt! Nachdem meine Einnahmen aus den Verlagen in den letzten Jahren gerade mal meine Telefonrechnung gedeckt haben war es an der Zeit, die ganze Sache zu überdenken. Nach reiflicher Überlegung zog ich mich 2015 aus allen Verlagen zurück und beschloss, meine eigenen Werke per sofort nur noch selbst zu verlegen. So entstand die «Edition Kalimba» Es war ein guter Entscheid.
Fast alle der mittlerweile 30 Ausgaben in «Edition Kalimba» sind Auftragswerke. Die Amerikaner machen den grössten Teil meiner Auftraggeber aus. Mit den Einnahmen kann ich jeweils eine tolle Printausgabe produzieren. Der commissioner wird als Widmungsträger im Untertitel aufgeführt. Letztlich erhalte ich für den Verkauf der Ausgabe im Shop einen realen Gegenwert für meine Arbeit. Dafür investiere ich viel Arbeit und Elan in meinen Verlag, bin dabei aber sehr glücklich, weil ich den Kreislauf schliessen kann von der Idee im Kopf über die Komposition, Cover, Layout bis hin zur Werbung und dem Verkauf
«The Trains» 4 guitar quartets 2015: commissioned by Las Vegas Academy Guitar Program, Las Vegas (EK13 EK14 EK15 EK16)
“The Virginia Trios” 10 guitar trios 2016: commissioned by Alexandria guitars, Virginia (EK 1-4 EK 9-12 EK 17,24
Jürg Kindle «The Virginia Trios»
Produktion, Einspielung, Layout,
Mastering Jürg Kindle 2017
(Label Edition Kalimba)
In den letzten Jahren sind zahlreiche Werke entstanden dank wertvoller Beziehungen zu grossartigen Musikern. Dazu gehört natürlich die Gesamtaufnahme meiner Gitarrenquartette durch das EOS Guitar Quartet (Label Edition Kalimba).
Jürg Kindle «The Guitar Quartets»
EOS Guitar Quartet
(Label Edition Kalimba)
Durch die intensive Beschäftigung mit der Mandoline und der Zusammenarbeit mit der deutschen Mandolinistin Annika Hinsche sind 2015/16 zwei Etüdenbände für Mandoline entstanden. Für 2018 ist die Ausgabe meiner 12 Fantasien für Mandoline solo als Noten- und CD Ausgabe geplant.
Fingerfood I Studies for mandolin, easy to intermediate (EK 25)
Fingerfood II Studies for mandolin, intermediate (EK05)
2017 erhielt ich folgende Kompositionsaufträge:
«Tirandosaurus» für Gitarrenorchester mit 200 Spielern (Lincoln Way Central High School Illinois)
UA März 2018
«Flying Carpets» für Gitarrenensemble und Querflöte (Austin Classical Guitar Texas) UA April 2018
“Mambo Chutney” für 30 Gitarren und 10 Percussionisten (James W. Robinson Secondary School Fairfax Virginia) UA 2018
“Moods & Masks” Trio für Gitarre, wechselnde Blockflöten und Percussion (Glarner Musikschule,
Alfred Böhm) UA 2018
Alle Werke erscheinen 2018 im Verlag Edition Kalimb
website Edition Kalimba:
website Jürg Kindle
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